- Medizinnobelpreis 1976: Baruch Samuel Blumberg — Daniel Carleton Gajdusek
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Die beiden Amerikaner erhielten den Nobelpreis für die Entdeckung »neuer Mechanismen bei der Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten«.BiografienBaruch S. Blumberg, * New York 28. 7. 1925; 1957 Promotion in Biochemie an der Oxford University, 1957 Leiter der Abteilung für Geographic Medicine and Genetics Section an den National Institutes of Health (NIH), veröffentlicht 1966 »Immunology: The Making of a Modern Science«, 1970 Professur für genetische Medizin am Fox Chase Cancer Center in Philadelphia.Daniel Carleton Gajdusek, * Yonkers (New York) 9. 9. 1923; 1946 Promotion an der Harvard Medical School, 1952-53am Institut Pasteur in Teheran, 1958 Professor an den National Institutes of Health (NIH).Würdigung der preisgekrönten LeistungBei der Verleihung des Nobelpreises für Physiologie und Medizin des Jahres 1976 kam die Tropenmedizin zu Ehren. Für die Arbeiten der Laureaten Blumberg und Gajdusek spielten deren lange Aufenthalte in Südamerika, Australien und Neuguinea eine bestimmende Rolle. Beide haben zudem eine weitere Gemeinsamkeit in ihrer Ausbildung, da sie zunächst Mathematik und Physik studierten, ehe sie sich dem biomedizinischen Bereich zuwandten.Ihre Arbeiten betreffen die Untersuchung physiologischer Besonderheiten, die in abgelegenen Ländern beobachtet wurden, sowie die Anwendung der dort gewonnenen Kenntnisse zum besseren Verständnis von bereits bekannten Krankheiten in Europa und den USA. Von einem erkenntnistheoretischen Standpunkt her ist die Tragweite der beiden Entdeckungen gleichwohl nicht dieselbe.Vom Australia-Antigen zum Hepatitis-B-VirusSeit dem Ende der 1940er-Jahre studiert Blumberg Parasitologie. Dies führt ihn nach Südamerika. Dort unternimmt er erste epidemiologische Untersuchungen über die Malaria und studiert die erblichen Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber der Krankheit, denn es erkranken nur bestimmte Gruppen an speziellen Charakteristika der Krankheit.1955 geht er nach Oxford, um dort Biochemie zu studieren. Er promoviert 1957 und bricht, angebunden an die amerikanischen National Institutes of Health (NIH), nach Nigeria auf.Blumberg tritt 1964 in das Krebsforschungsinstitut von Philadelphia (Fox Chase Cancer Center) ein, wo er die Bluteiweiße untersucht. Er behandelt einen Hämophiliepatienten mit Proben, die er von seinen zahlreichen Reisen mitgebracht hat. Bei den Blutuntersuchungen dieses Patienten beobachtet er die Reaktion eines Antikörpers mit einem bestimmten Antigen, das von einem an Hepatitis erkrankten australischen Aborigine stammt. Dieses nennt er das »Australia-Antigen3«. 1967 zeigt er, dass sich dieses Antigen auf der Oberfläche eines der Hepatitis-Viren befindet.Erst einige Jahre später wird dieses Virus als das Hepatitis-B-Virus identifiziert, das durch Blut übertragbar ist (im Gegensatz zum Hepatits-A-Virus). Durch eine genetische Bevölkerungsstudie zeigt Blumberg, dass ungefähr 0,1 Prozent der weißen Bevölkerung der USA Träger dieses Antigens sind. Da es sich bei ihnen um potenzielle Träger der Krankheit handelt, bemüht sich Blumberg mit dem Mikrobiologen Irving Millman um die Entwicklung eines Tests zum Nachweis des Antigens. Die Infektionen durch Transfusion werden in der Folge drastisch reduziert und sie erarbeiten einen Impfstoff zum Schutz der Bevölkerungen Asiens und Afrikas.Blumbergs Arbeiten über das Hepatitis-B-Virus beruhen auf einer interdisziplinären Herangehensweise, für die auch seine Professorentitel für Humangenetik und Anthropologie Beleg sind. Der äußerst reisefreudige Wissenschaftler kokettierte: »Die Virologen sagen, ich sei nicht wirklich ein Virologe. Die Genetiker sagen, ich sei nicht wirklich ein Genetiker. Tatsächlich halte ich mich für einen klinischen Forscher.«Kuru: »Das große Zittern«Auch Gajdusek präsentiert sich als Globetrotter-Wissenschaftler. Nach dem Studium geht er 1951 als Virologe zur Armee. Dort beginnt er mit dem Reisen. Er besucht alle Kontinente und erweitert seine Verbindungen durch seine Angliederung an das Institut Pasteur in Teheran.Den Nobelpreis teilt er sich mit Blumberg für seine Forschungen in Neuguinea. Seit 1955 verfügten die USA dort über eine medizinische Beobachtungsstation. Eine Krankheit war besonders spektakulär und ein wenig untypisch, da sie lediglich den ansässigen Fore-Stamm betraf. Vor allem die Frauen und Kinder des Stammes starben in weniger als einem Jahr an »Kuru«, was in ihrer Sprache »Zittern« bedeutet. Neben dem Zittern waren die ersten Symptome Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen. Allgemein folgte darauf Geistesschwäche. Als die Krankheit 1957 gemeldet wurde, war Gadjusek gerade in Melbourne und beschloss, ein Jahr auf Neuguinea zu verbringen, um dort diese Krankheit und ihre Ursachen zu studieren.Er fand heraus, dass die Krankheit in Verbindung mit kannibalistischen Akten zur Ehrung der Toten stand. Die Männer verspeisten vornehmlich das Muskelfleisch der Opfer und ließen Frauen und Kindern die übrigen Stücke, darunter das Hirn. Gajdusek entnahm Gewebeproben und schickte sie nach Australien, wo die Ähnlichkeit der Beschädigungen mit denen bei einer Schaferkrankung bemerkt wurde, der Scrapie (aus dem Englischen »to scrape« für »kratzen, scharren«; Anspielung auf das Verhalten der Schafe). Die Inkubationszeit von Scrapie beträgt Jahre, dasselbe nahm man für die Schimpansen an, die mit dem krankhaften Material geimpft wurden. 1965, zwei Jahre nach der Impfung des ersten Schimpansen, zeigten sich bei diesem erste Störungen. Die Untersuchung des Gehirns ergab dieselben Beschädigungen. Die Impfung mit einer Hirnprobe führte zu einer Übertragung der Krankheit. Dies konnte auch für die Impfung mit Hirnproben von Verstorbenen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit festgestellt werden. Experimente belegten die extreme Widerstandskraft des ursächlichen Erregers gegenüber physikalischen und chemischen Einwirkungen: Er widerstand der Gefriertrocknung und einer 30-minütigen Erhitzung auf 85 Grad Celsius.Gajduseks Arbeiten gaben vor allem den Anstoß zu erkenntnistheoretischen Überlegungen zur Natur von Infektionen, die von Stanley Prusiner (Nobelpreis 1997) fortgeführt wurden. Mit der Identifikation des Hepatitis-B-Virus, noch zu Beginn des dritten Jahrtausends nach dem Tabak der zweitgefährlichste Krebserreger, hatte sich Blumberg dagegen eines Problems der öffentlichen Gesundheit angenommen.J. Segal
Universal-Lexikon. 2012.